Bericht vom Russland-Austausch

Bericht vom Russland-Austausch

Die Marienschülerin Rebekka Zell aus der Q1 berichtet von ihren Erlebnissen: 

UnbenanntUm 5:15 Uhr fuhren wir von Euskirchen los. Um 8:00 Uhr ging dann unser Flieger vom Düsseldorfer Flughafen. Nach der Landung in Moskau/Domodedovo gegen 15:00 Uhr Ortszeit (13:00 Uhr deutscher Zeit) waren wir auf dem Weg zu unserem Zielort Kostroma (ca. 300 km entfernt) noch weitere 8 Stunden unterwegs, wovon wir mindestens 2 im Stau um Moskau herum feststeckten. Diese lange Fahrt bot aber auch die Möglichkeit, einen ersten Eindruck des Landes zu bekommen. Ich machte mir z.B. einen Spaß aus dem Versuch, im Vorbeifahren die kyrillischen Schriftzüge zu entziffern, und an einer Raststätte haben wir wirklich leckere gefüllte Teigtaschen gegessen. Als wir dann gegen 23 Uhr endlich in Kostroma ankamen, wurden wir schon von den Gastfamilien erwartet und es gab große Wiedersehensfreude auf beiden Seiten.

UnbenanntIn der Woche in Russland haben wir viel erlebt und einiges über Kultur und Mentalität der Menschen dort erfahren. Besonders beeindruckt hat mich das öffentliche Verkehrsmittel ‚Marschrutka‘. Von diesen kleinbusartigen Gefährten fahren haufenweise Exemplare ständig von Station zu Station. Sie werden von Privatpersonen gelenkt, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Zuerst sind sie mir gar nicht weiter aufgefallen, da Kleinbusse auf deutschen Straßen ja ebenfalls ein gewohnter Anblick sind, nur dass sie dort eben von größeren Familien als Privatauto genutzt werden. Erst, als wir das erste Mal in eine ‚Marschrutka‘ einstiegen, wurde mir bewusst, dass es als ein öffentliches Verkehrsmittel dient. Natürlich gibt es auch in Russland Linienbusse und Straßenbahnen, allerdings nutzt zumindest meine Austauschpartnerin meistens einen Kleinbus, der meines Wissens deutlich weniger kostet. Das erstaunlichste an diesem ‚Marschrutka‘-System ist für mich die Selbstverständlichkeit, mit der ausnahmslos jeder Fahrgast bezahlt, ohne dass eine Kontrolle nötig wäre. Es werden auch keine Fahrkarten herausgegeben, man zahlt einen Einheitspreis, egal wie viele Stationen man mitfährt. Das mag ungerecht klingen, aber so wird viel Zeit gespart, auch dadurch, dass man erst einsteigt und dann bezahlt, wodurch die Fahrt zügig fortgesetzt werden kann. Wenn man eingestiegen ist, setzt oder stellt man sich als erstes hin und holt das passende Geld aus der Tasche. Der Fahrer nimmt es während der Fahrt entgegen. Das birgt natürlich ein gewisses Gefahrenpotenzial, aber mir schienen die Fahrer immer sehr geübt und ich hatte nie Angst, dass gleich ein Unfall gebaut wird. Unbenannt3Wenn jemand weiter hinten sitzt, muss er nur die Hand ausstrecken und sein Geld wird nach vorne weitergereicht. Dieses System kann nur durch eine Vertrauensbasis funktionieren, die nebenbei sehr zeitsparend ist. Es hat mich sehr beeindruckt, vor allem, wenn man es mit dem deutschen Busverkehr vergleicht. Dort gilt bei vielen Fahrgästen die Devise ‚Ich zahle nur, wenn ich kontrolliert werde‘. Es geht darum, möglichst viel Geld zu sparen, ungeachtet der Tatsache, dass es nur richtig wäre, für eine in Anspruch genommene Dienstleistung auch den entsprechenden Preis zu zahlen. Zwar ist das Busfahren in Deutschland deutlich teurer als eine Fahrt mit einer russischen ‚Marschrutka‘, dennoch ist die Mentalität eine ganz andere. Für mich kam es so rüber, als schätzten die Russen viele Dinge mehr, als es in Deutschland der Fall ist, wo das meiste als selbstverständlich hingenommen wird und man sich gar keine Gedanken darüber macht, wie gut es einem geht. Obwohl die Fahrt in der ‚Marschrutka‘ aufgrund der etwas heruntergekommenen Straßen stets recht holprig war, mochte ich es irgendwie damit zu fahren, wieso weiß ich selber nicht.

Unbenannt4Was mir auch gut gefallen hat war die ‚Datscha‘ meiner Gastfamilie – eine Art Wochenendhaus in ländlicher Gegend, in der Nähe eines Gewässers. In Russland scheint es üblich zu sein, sich wenn möglich solch ein Haus zu leisten. Die ‚Datscha‘ meiner Gastfamilie gehörte den Großeltern meiner Austauschpartnerin und sie erzählte mir, dass sie und ihre Familie, als sie noch jünger war, meist den ganzen Sommer dort lebte – ohne Strom und heißes Wasser. Dafür war die ‚Datscha‘ deutlich größer als die kleine Wohnung, in der wir während meines Besuchs wohnten. Zu jeder ‚Datscha‘ gehört traditionellerweise eine Sauna, die sogenannte ‚Banja‘. Man setzt sich erst der Hitze in dieser ofenbeheizten Holzhütte aus und schlägt sich anschließend mit einem Blattbüschel, bevor man ins kalte Wasser springt oder sich alternativ im Schnee wälzt, wenn der Fluss oder See im Winter zugefroren ist. An dem Tag in der ‚Datscha‘ sind wir in den Wald gegangen, um Pilze zu sammeln. Das ist etwas, das ich schon immer mal machen wollte – wozu mir aber ganz einfach die nötige Pilzkenntnis fehlt – weswegen ich es sehr interessant fand. In unserem Korb landeten vor allem Pfifferlinge und ein paar Steinpilze. Mein Gastvater kannte sich gut mit Pilzen aus und meine Austauschpartnerin wusste auch viel darüber. Diese Naturverbundenheit fand ich wirklich erfrischend. Natürlich ist auch in Russland die Moderne angekommen, aber noch haben sich die Russen die Traditionen ganz gut erhalten.

Was mich aber etwas verwundete, war der Kleidungsstil der Russen. Mir ist aufgefallen, dass man sich generell etwas schicker oder eleganter kleidet als in Deutschland, die wenigsten Leute zeigen sich öffentlich in legeren, sportlichen Klamotten. Allerdings hat meine Austauschpartnerin meistens sofort bequeme Klamotten wie Jogginghose o. ä. angezogen, wenn wir in der Wohnung waren. Die äußerliche Wirkung auf andere Menschen scheint sehr wichtig zu sein. Dies ist besonders an den Universitäten und Schulen von Bedeutung. Dort gibt es entweder eine Schuluniform oder einen Dresscode. Und an vielen Universitäten ist es sogar verboten, beispielsweise Sneakers zu tragen. Es mag an meiner Mentalität liegen, aber mir erschienen diese Art der Kleidung und die Kleidungsvorschriften etwas gestelzt und es wäre mir persönlich zu steif. Ich bin froh, dass ich tragen darf, was ich will, wenn ich mal studieren gehe.

Unbenannt5Alles in allem hat mir das Land – oder der Teil, den ich davon zu sehen bekommen habe – gut gefallen und ich bin sehr froh, an dem Austausch teilgenommen zu haben. Und die Woche war am Ende doch schneller vorbei, als gedacht. Die Russen sind mir als sehr gastfreundliches Volk erschienen und an einem Abend hatten wir viel Spaß dabei, von einer Austauschteilnehmerin und ihrem Freund alte russische Tänze zu lernen und deren Sinn und Entstehung zu erfahren. Außerdem gab es typisch russische süße Leckereien zu essen. Abschließend kann ich den Austausch nur jedem weiterempfehlen, der etwas von der Welt sehen möchte. Es ist eine gute Gelegenheit, mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen.

 

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