“Die Schüler im Blick” – Der ehemalige Schulleiter Antwerpen über Marienschuljahre und Zukunftspläne

“Die Schüler im Blick” – Der ehemalige Schulleiter Antwerpen über Marienschuljahre und Zukunftspläne

Das Schuljahr 2018/2019 war für unsere Marienschule ein ganz besonderes: Es begann mit vielen bunten Veranstaltungen zum 150. Schuljubiläum, gekrönt vom Festakt im November – und es endete mit der feierlichen Verabschiedung von Jürgen Antwerpen in der letzten Schulwoche.

Dreizehn Jahre lang war Antwerpen Schulleiter der Marienschule – von 2006 bis 2019 gestaltete er die Geschichte unseres Gymnasiums mit. Im Interview wirft er einen Blick zurück auf seine Marienschul-Laufbahn und berichtet von seinen Zukunftsplänen.

 

 

Im Jahr 2006 kamen Sie als neuer Schulleiter an die Marienschule. Dort waren Sie aber kein unbekanntes Gesicht! 

Nein, ich war von 1996 bis 2001 schon als Lehrer für Mathematik und Physik an der Marienschule und in dieser Zeit als Ausbildungskoordinator für die Referendarinnen und Referendare zuständig. Damals ging es auch los mit der institutionalisierten Schulentwicklung, das heißt, die Bezirksregierung regte einen verstärkten Austausch zwischen den einzelnen Schulen an und es kamen neue Ideen auf. Ich weiß noch, dass wir als ersten Versuch die Plätze im Lehrerzimmer getauscht haben, für einige Kollegen eine unmögliche Vorstellung. Ich bin dadurch mit ganz anderen Kollegen ins Gespräch gekommen, das war eine sehr interessante Erfahrung.

 

Warum sind Sie im Jahr 2001 dann an das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Bornheim gewechselt?

Ich bekam das Angebot, dort stellvertretender Schulleiter zu werden. Das Gymnasium war ganz neu und wir haben es Stück für Stück gemeinsam aufgebaut – mit anfangs nur acht Kollegen. Das Lehrerzimmer füllte sich mit den Jahren und das Zusammenwachsen und gemeinsame Gestalten war spannend ohne Ende!

 

Und von diesem ganz neuen Gymnasium kehrten Sie dann 2006 zurück an die Marienschule mit ihrer fast 150-jährigen Tradition – und das auch noch plötzlich als Chef vieler alter Kolleginnen und Kollegen. 

Die erste Lehrerkonferenz war entsprechend sehr interessant. Ich war mit einem Drittel des Kollegiums per Du und habe mich entschieden, die Anrede nicht zu ändern. Ich glaube, dass man jemanden mit „Sie“ genauso wertschätzend anreden kann wie mit dem vertrauten „Du“. Aber ich war in einer neuen Rolle und obwohl ich doch der Gleiche geblieben war, habe ich gespürt, dass ich anders wahrgenommen wurde als vorher.

 

Ihre Amtszeit fiel in eine schulpolitisch turbulente Zeit – von der Umstellung auf G8 bis hin zur Rückkehr zu G9 kurz vor Ihrer Pensionierung. Wie erlebt man so etwas als Schulleiter?

Ich hatte in den vorhergehenden Jahren die Möglichkeit viel „über den Tellerrand“ zu blicken und habe mir die Schulsysteme in anderen Ländern angesehen. Und ich habe versucht, die Ideen, die von oben kamen, mit  Gelassenheit zu bewerten: Was ist gut und wie können wir das so gut wie möglich umsetzen? Ich bin nicht Lehrer geworden, um Schulleiter zu werden, aber mir war es immer wichtig, Schule zu gestalten. Das oberste Ziel war für mich dabei immer, die Schülerinnen und Schüler im Blick zu haben. Die Einführung des Ganztages erschien mir als beste Möglichkeit, ohne Qualitätsverlust die Dinge umzusetzen, die schulpolitisch gewollt waren.

Die Entscheidung für den Ganztag musste damals sehr schnell fallen: An einem Mittwoch hatte der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die Ganztagsinitiative verkündet. Ich habe mich dann mit verschiedenen Kollegen verständigt und am darauffolgenden Montag den Antrag auf Ganztag gestellt, selbstverständlich mit der Forderung nach einer Mensa, neuen naturwissenschaftlichen Räumen, Lehrer- und Schülerarbeitsplätzen und so weiter. Fast eine Hauruck-Aktion, aber in der Rückschau aus meiner Sicht für die Schule die richtige Entscheidung. Zum Glück haben die Kolleginnen und Kollegen im Großen und Ganzen diese Entscheidung mitgetragen. Und für so einen Umbruch braucht es Kollegen, die mitziehen und Vertrauen haben, es ist ein schmaler Grat zwischen Vorankommen und Überforderung.

 

Im Jahr 2012 wurden dann erhöhte Werte des Bauschadstoffs PCB im Schulgebäude festgestellt. 

Ja, dieses Thema hat uns alle viel Kraft gekostet, die ich lieber für pädagogische Arbeit oder in die Schulentwicklung investiert hätte. Zum Glück wurde die Schule daraufhin aufwändig saniert und im März 2019 konnten wir vermelden: In allen Messungen liegen wir unter dem Zielwert.

 

Jetzt können Sie ja aus dem Nähkästchen plaudern: Was war Ihre lustigste Schülerbegegnung?

 Mal überlegen…Mathematikunterricht, Klasse 5, die Schüler schenken mir ein Bonbon. Da ich gerade im Unterrichtsgespräch war, habe ich es erst einmal in die Hosentasche gesteckt und dann vergessen. In der Folgestunde war ich dann in der Oberstufe und ein Schüler, der sich unglaublich schwertat, hat seine Hausaufgaben vorgerechnet und das wirklich gut hingekriegt. Und ich sage zu ihm: „Das hast du richtig gut gemacht, hier hast du ein Bonbon!“ Und er steckt es in den Mund und spuckt es in hohem Bogen aus – da war das ein Scherzbonbon mit Pfeffergeschmack!

 

Das Festjahr zum 150. Jubiläum ging Ihrem Abschied unmittelbar voraus. Wie haben Sie es erlebt?

Ich fand es großartig, dass die Marienschule in diesem Jubiläumsjahr in ganz vielen unterschiedlichen Facetten gefeiert hat. Das hätte man nie an einem einzigen Festwochenende leisten können. Ich denke da nur an unsere Teilnahme am Euskirchener Karnevalszug, wo ich mit dem Traktor vornewegfahren durfte. Oder das Treffen von mehr als tausend Ehemaligen. Und auch der Ausflug mit der ganzen Schule nach Nettersheim, das war wirklich toll. Bei all diesen Aktionen konnten sich Schüler und Lehrer von einer ganz anderen Seite kennenlernen, losgelöst vom Unterricht. Und dann schließlich die Jazzmesse und der feierliche Festakt. Ich finde einfach, eine Schule muss eine Feierkultur haben.

 

Wie haben Sie die letzten Wochen an der Marienschule empfunden? 

In erster Linie aufregend. Es mussten viele Dinge entschieden werden, die mir auch wichtig waren, nicht zuletzt, ob wir auch mit G9 beim Ganztag bleiben. Ich habe diesen Prozess als ungeheuer anstrengend empfunden, aber ich finde, er ist gut gelaufen. Wir haben im Kollegium und der Schulkonferenz in einer wirklich guten Weise hart miteinander gerungen und das zeichnet dieses Kollegium auch aus, dass man trotz aller Differenzen in der Sache menschlich gut miteinander umgeht.

Die Woche meiner Verabschiedung habe ich dann einfach nur genossen. So viele haben sich Zeit genommen und sind gekommen. Los ging die Verabschiedungsfeier dann mit einem Chor aus vielen Schülern, Eltern und Kollegen, das war wirklich toll. Und sehr berührt hat mich, als mir die Klassensprecher aller Klassen je eine Sonnenblume überreicht haben – so wie sie alle neuen Fünftklässler bei uns seit Jahren bekommen. Der Grillabend mit dem Kollegium bei mir zu Hause war dann ein wirklich schöner Ausklang in gelöster Atmosphäre. Und nicht zu vergessen der Flashmob aller Schülerinnen und Schüler am nächsten Tag auf dem Schulhof. Das war unglaublich beeindruckend.

 

Vermissen Sie schon etwas? Und gibt es etwas, das Sie überhaupt nicht vermissen werden? 

Ich vermisse sicherlich die Schülerinnen und Schüler und die Kolleginnen und Kollegen, die vielen guten Gespräche, unzählige Kleinigkeiten wie einen Schwatz mit den Schülern, den Sekretärinnen oder den Hausmeistern zwischendurch.

Nicht fehlen wird mir auf jeden Fall die Terminfülle, auch nicht die Korrekturen oder die „Frust-Konflikt-Gespräche“. Wobei, wenn sie gut gelaufen sind, waren sie oft auch eine Bereicherung…

 

Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft? 

Als erstes fahre ich jetzt bald nach Israel, ein Land, in dem ich manche Ecken schon kenne, das ich aber noch einmal von einer ganz anderen Seite erleben möchte: Ich mache Wanderexerzitien im Negev mit dem Titel „Jetzt aber geh – ich bin bei dir“. Es geht vom Sinai hinunter bis zum Roten Meer und ich freue mich sehr darauf.

Ansonsten widme ich mich dem, was ich bislang als Ausgleich gemacht habe, nun mit Muße: Lange Spaziergänge mit meinem Hund Lino, Fahrradtouren und vor allem Lesen.

Und dann führe ich auch mein ehrenamtliches Engagement fort, etwa beim Lions Club und dem katholischen Studentenverband CV.

 

Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg? 

Keinen. Ich finde, jeder muss seinen eigenen Weg gehen.

 

Wird man Sie zukünftig noch an der Marienschule sehen?

Bestimmt – auch wenn ich gesagt habe, ich komme nur, wenn ich eingeladen werde. Und tatsächlich habe ich jetzt schon einige Einladungen erhalten: Ich werde an der Schulwallfahrt teilnehmen und am Herbstball und freue mich schon auf die nächsten Begegnungen.

Aber sonst – ich bin vor einigen Tagen mit dem Fahrrad an der Marienschule vorbeigefahren, während der Schulzeit. Und ich habe mich gefragt, wie fühlt sich das für mich an, die Schule von außen wahrzunehmen? Ich kann sagen: Die Seele ist in der Mitte. Es ist gut so, alles hat seine Zeit.

Interview durchgeführt von Maria Joachimsmeier

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