Alltag von Osteuropa-Journalistinnen: Russisch-Schülerinnen beim Gespräch am Europagymnasium Kerpen

Wie ist der Alltag von Osteuropa-Journalistinnen? – Schülerinnen des Grundkurses Russisch zu Gast bei einer beeindruckenden Gesprächsveranstaltung am Europagymnasium Kerpen
Im Rahmen einer Europawoche organisierten die Kerpener Russisch-Lehrerinnen Frau Heine und Frau Schulte-Mattler am 06.05.2025 eine Veranstaltung für ihre Russisch-Kurse, zu der sie ebenfalls Schülerinnen des Russischkurses der Marienschule eingeladen hatten. „Auf eine Tasse Tee – zwei Osteuropaexpertinnen geben Auskunft über den Alltag als Journalistinnen“ war das Thema der Gesprächsrunde. Bei den Journalistinnen handelte es sich um Oksana Orlowa vom WDR Warschau, die vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Studio der ARD in Moskau tätig war, sowie die aus Thüringen stammende Silvia Stöber, die für tagesschau.de arbeitet und darüber hinaus als Autorin des Sachbuchs „Mord im Tiergarten“ bekannt ist. Der Journalist und Moderator Thielko Grieß vom Deutschlandfunk gesellte sich zu den beiden Journalistinnen und kam ebenfalls mit den jungen Leuten ins Gespräch.
Übereinstimmend berichteten die drei Osteuropa-Experten von den tiefgreifenden Veränderungen der journalistischen Arbeit in den letzten zwanzig Jahren: Es sei von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, über und in Putins Russland zu berichten und mit den Menschen dort offen zu sprechen. Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine seien immer schärfere Gesetze verabschiedet worden, die die Opposition unterdrückten, und es habe immer wieder Verhaftungen von Kritikern gegeben. Ein weiteres Problem bestehe darin, dass die russischen Propagandamedien Fake-Texte publizieren. In allen Staatsmedien werde die Lüge verbreitet, dass man in der Ukraine gegen Nazis kämpfe. Unabhängige russische Medien gebe es seit 2022 in Russland nicht mehr, die Journalisten seien alle geflohen. Wer sich in Russland über den Krieg in der Ukraine informieren wolle, müsse gut Englisch können, um westliche Medien zu nutzen, und benötige einen VPN, da soziale Netzwerke wie Facebook in Russland verboten seien.
Ergreifend war es, zu hören, wie die drei Journalisten auf den 24. Februar 2022, den Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, zurückblickten: Frau Stöber erinnerte sich, dass russische Staatsbürger spontan in Berlin gegen den Krieg demonstrierten. Frau Orlowa nannte diesen Tag einen Albtraum, sie fühlte Ohnmacht, Wut und Hilflosigkeit: Alle ihre Bemühungen als Journalistin hätten nichts bewirkt und sie leide heftig darunter, dass ihr Heimatland, dass russischsprachige Menschen im Nachbarland Ukraine diesen absurden und zugleich überaus brutalen Krieg führen.
Im Laufe der Veranstaltung stellten die Schülerinnen und Schüler viele Fragen, etwa zu der ständigen Gefahr von Verhaftungen, zu den Quellen von verlässlichen Informationen aus Russland und der Ukraine oder zu den Möglichkeiten, wie der Krieg in der Ukraine enden könnte.
Trotz all ihrer leidvollen Erfahrungen hofft Oxana Orlowa genau wie ihre Kollegen auf bessere Zeiten. Russisch, das dürfe man nicht vergessen, sei auch die Sprache von vielen regimekritischen Russen.
Sehr nachdenklich und tief beeindruckt zeigten sich die Russisch-Schülerinnen und -schüler aus Kerpen und aus Euskirchen. Die Teilnehmerinnen des Russischkurses der Marienschule waren sehr dankbar, dass sie bei der Gesprächsveranstaltung dabei sein durften und Einblicke in die schwierige journalistische Arbeit bei der Osteuropa-Berichterstattung aus erster Hand erhalten hatten.
(Marion Kleinebreil)